„Im Westen Nichts Neues“ analysiert

Eine unpersönliche, aber schreckliche Darstellung des Kriegs

Vom patriotischen Trugbild des ersten Weltkriegs geblendet, meldet sich Paul Bäumer (Felix Kammerer) zum Kriegsdienst und tut es vielen jungen Menschen gleich. An der Front angekommen, überkommt ihn und einigen Mitschülern jedoch augenblicklich die Grausamkeit des Krieges. Er findet sich mit dem Verlust, allgegenwärtiger Angst und Skrupellosigkeit auf beiden Seiten des Schlachtfelds konfrontiert. Die Tatsache, dass er sich mit 17 Jahren in den Dienst schmuggelte, sollte einen großen Fehler darstellen.

Zerspringende Hoffnungen – Die Realität

Es sind jene erfreuten Augen, welche den Zuschauer nach den erschreckenden Bildern des Prologs erwarten und ein weinig aus der Geschichte werfen. Von Vorfreude gepackt, mit gutem Gewissen dem Land zu dienen, doch der Zuschauer wird das unmittelbaren Gegenteil nähergebracht. Natürlich sind es die schrecklichen Aufnahmen, mit welchen der Zuschauer bereits konfrontiert war, welche die kurz aufgebauten Hauptfiguren erwarten, aber nicht zu Gesicht bekamen, während sie das indoktrinierte Idealbild der Lehrer vor Augen führen. Eine in ein kontinuierliches Stadium versetzte Grundhaltung intentioniert zwar den Konflikt zwischen den Ländern, manifestiert jedoch viel mehr das Aufeinandertreffen von Zweifeln mit patriotischen Hoffnungen.

An Stelle einer klassischen Herangehensweise einer Heldenfigur präferiert die Handlung somit den Realitätsaspekt, welcher sich ebenso auf die Gegebenheiten des Films bezieht. Statt also von Plot Armor untermalt zu werden, stößt sich sowohl die Botschaft, als auch die Prämisse des Films klar von Widersprüchen ab und erzählt im Kern, wie ein junger Soldat den Krieg wahrnahm. Inwiefern die Skrupellosigkeit und Maschinerie über Menschlichkeit zu siegen scheint stellt einen sekundären Punkt der Handlung dar. Der Film schlägt sich auf keine Seite , obgleich das heroische Schreiten des Protagonisten dem durchaus widerspricht, aber eine gute, oder böse Seite scheint es nicht zu geben. Viel mehr spiegelt der Film den gesamten Schrecken wider und blickt mit einer modernen, aber andächtigen Perspektive über die Prämisse

Der primäre Punkt hinter der fehlgeleiteten Hoffnung stellt somit die Einschätzung der Situation für sich dar. Während die Hauptfiguren den Traum eines ruhmreichen Lebens verfolgen, hängt letzteres jedoch mit verheerenden Komplikationen zusammen. Bereits die ersten Minuten des Films revidieren die nicht ernstgenommene Konsequenz des Krieges und die ungenutzte Dramaturgie im Bezug auf charakterliche Tiefe an manchen Stellen wird für die Realität mit welcher sie unmittelbar konfrontiert sind aufgeopfert. (Film ist eher für die immersive Darstellung des Krieges gut. Für Zuschauer, die eine Figurenreise in der Thematik bevorzugen, sind hier falsch: Die Figuren sind an und für sich nicht tief geschrieben)

Visuelle Exzellenz anhand von vier progressiven Charakteristika

Die progressive Kameraarbeit
Unter einer Kameraarbeit, welche sich innerhalb des Films progressiv ausweitet, versteht man einerseits eine Entwicklung, welche sich auf einen Anguss- und Endpunkt bezieht und andererseits einen gewissen Stil, der im Verlauf der Handlung Variabilität ausarbeitet. Innerhalb dieser Handlung, beläuft sich der Angusspunkt auf den gesamten Prolog und wie dieser eingesetzt wird. Erstmals beliebige Landschaftsaufnahmen auf denen das von Menschen getilgte Schlachtfeld folgt. Dieser Herangehensweise folgt der gesamte Film, wobei der Stil weitestgehend variiert. Selbsterklärend forciert der Film weiterhin Aufnahmen, welche einen Gesamtüberblick von oben ermöglichen, doch inwiefern die Inszenierung diese ermöglicht, zeugt von beständiger Variabilität. Trotz den unzähligen Soldaten auf unzähligen Schlachtfeldern verfolgt die Kamera den Protagonisten punktgenau, sodass dem Zuschauer nicht mal die Frage ermöglicht wird, wer der Protagonist nun sei in dem beliebigen Augenblick. Dadurch bleibt die Kameraarbeit beständig, doch durch unlängst nicht mehr beschränkte Perspektiven bildet sich ein weitläufiges Spektrum.

Die Darstellung der Brutalität
Ohne Scheu gar Angst, den Bogen zu weit zu spannen, greift der Film den realistischen Aspekt immer weiter, bis die Actionsequenzen von absoluter Tragik begleitet werden. Die ständigen Opfer, in allen Blickwinkeln, und zu jeder Sekunde. Auch wenn der Film nicht übermäßig blutig ist, sind es die plötzlichen Detonationen, oder schemenhafte Situationen, welche dem Zuschauer nicht genügend Zeit zur Verarbeitung des Geschehens lassen. Die Allgegenwärtigkeit der Brutalität und die Darstellung, welche die Kamera stets fokussiert, erheben den gewünschten, bedrückenden Effekt.

Der dreckige Look
Seien es die abgetragenen Lumpen der Soldaten, von Schlamm und Blut befleckt, oder die graue Farbgebung der Szenerie. Die absolute Versiertheit für die gesamte kinematische und inszenatorische Perfektion, glückt. Gerade auf dem Schlachtfeld, verfehlt der Film trotz seiner nicht plakativen Dunkelheit, nur kaum die immersive Bedeutung eines dreckigen Schauplatzes. Wenngleich die Schatten der Soldaten über die Schlacht toben, verweist der Film klar auf die wertige Nutzung des Geschehens im Bezug auf die Inszenierung.

Die perfekte epochale Darstellung
Die Zeit rund um den ersten Weltkrieg. Auch abseits vom Schlachtfeld brilliert der Film die Inszenierung der Epoche und belässt den Zuschauer vollends in exzessivem Unverständnis. Nichts erscheint nötig, doch der korrekte historische Hintergrund erkennt die politischen Spannungen, welche die Soldaten auf dem Schlachtfeld austragen müssen. Der Film versucht deutlich, alle Aspekte des historischen Kontexts in eins zu fassen, obgleich der Fokus natürlich auf dem Protagonisten liegt.

Mike Seidel
Mike Seidel

Autor - Kritiken

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