Aufgrund eines banalen Zufalls und als Resultat einer kriselnden familiären Situation, erhält Evelyn (Michelle Yeoh) Kontakt zum Multiversum und all seinen Kuriositäten. Von den überwältigenden Möglichkeiten beeindruckt, versucht sie gleichermaßen den Frieden in ihrer Familie zu wahren und muss erschreckend feststellen, welch erhebliche Rolle ihre Familie im Multiversum zu tragen scheint. Aus dem bodenständigen Anfang im Waschsalon, ufert ein brachialer Kampf, um der gesamten Familie eine tragende Rolle zu verleihen.
Everything Everywhere All At Once ist eine Tarnung, ein Nachrichtenüberbringer und die Antwort auf eine simple Frage. “ Was bedeutet das Leben, wenn allgegenwärtig vergessen wird?“. Die Kunst liegt jedoch darin, wie es diesem Werk gelingt, die Frage bloßzustellen und die Antwort als unmittelbar zu deklarieren. Die Antwort ist da, wo am wenigsten gesucht wird.
Wohl kaum versprühte ein Film der letzten Jahre derartige Kinomagie in einer Woge der reinen Kreativität und doch ist der Titel bereits ein Verweis auf das alltägliche Leben. So abwegig diese These auch erscheint, der Titel spiegelt lediglich den Film wider, gewöhnlich und doch so clever. Denn genau da, wo der Film ansetzt, nahe des breiten Spektrums des Multiversums, endet schon der Kreislauf. Während der Mensch versucht, alles, allgegenwärtig und überall zu meistern, wartete dieser Film mit seiner schrulligen Art und Weise wohl ein wenig zu lang, die Gedanken der kühnsten Vorstellungen zu visualisieren. Oder ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, einer Familie bei der Entfremdung zuzusehen, nur damit das Multiversum sie wieder zusammenführt? Manchmal reichen einfache Gespräche, aber manchmal braucht es auch die Antwort auf die Bedeutung des Lebens, um vollends zu verstehen, wie wichtig es ist, dass solche Filme existieren. Es ist jedoch eine Tatsache, dass jene Herzlichkeit des Films aus grenzenloser Kreativität entstand. Vielleicht sind tiefgreifende Argumente hinzugedichtet, vielleicht markieren sie auch die Sehnsucht nach Filmen, die wahrhaftig etwas zu sagen haben, doch es steht fest, dass dieser Genremix in seiner Inszenierung punktet, die nebensächlichen Gedanken sind reine Spekulation.
Der Familienaspekt
Die wahre Kunst des Films mit dem ellenlang wirkenden Titel besteht darin, dass die Handlung einen roten Faden besitzt und es immer wieder schafft ihren Fokus innezuhalten. Zwar wirkt das Multiversum neben dieser Argumentation wie ein einfaches Gimmick, doch dem ist nicht so. Der Film priorisiert im Bezug auf die Familie die offene Entfremdung der einzelnen Mitglieder. Die Eltern und eine Scheidung und ein Generationskonflikt plagen die Einfachheit der Kernprämisse, doch die Lösung dieser Probleme bildet eine ungewöhnliche Tarnung. Viel mehr als einen Umweg für Erkenntnis bildet das Multiversum nicht, zumindest nicht gepresst in einen erzählerischen Kontext. Für den Zuschauer kann der Film einerseits die Visualisierung dieser Botschaft und andererseits ein komplexes Umgehen der Prämisse darstellen.
Der Waschsalon ist der Andockpunkt, auf welchen sich der Film bezieht, denn die Interessen der Familie im Anfangsuniversum sind bodenständiger Natur. Das Bezahlen von Steuern, der Erhalt der Familie und der Abbruch von Vorurteilen wirken neben der Rettung der Welt nebensächlich, doch tatsächlich betrifft dieses Problem insgeheim jedes Universum. Der Mangel an Vertrauen und die Enttäuschungen im Bezug auf die Tochter sind der Auslöser. Somit charakterisiert der Film den klassischen verlustgetriebenen Kampf, Gut gegen Böse, aufgrund des Multiversums als Einholen der Vergangenheit, dessen Entkommen gleichzeitig den Verlust der Familie metaphorisiert. Das Ende des Films stellt die Protagonistin als Retterin des Multiversums dar. Der andere Blick auf die Familie und das Eingestehen von Fehlern, ermöglicht es loszulassen, genau wie es ihrer Erkenntnis gelingt, auf den familiären Aspekt überzugehen und letztendlich ihre Tochter zu retten.
Die Suche der Tochter nach objektiver Wahrheit ist unmöglich. Denn alle Gefühle zu durchleben, alles zu sehen, zu wissen und sich mit diesen Erkenntnissen letztendlich zu belasten untergräbt den Genuss des einfachen Lebens. Die Protagonistin erkennt die Bedeutung der kleinen Dinge des Lebens.
Action und Humor – Abhängigkeit
Selbsterklärend, bezieht sich die Action auf das Multiversum und den einhergehenden Humor. Die Komödie funktioniert zwar auch außerhalb dieser Thematik, gerade aufgrund der dahingehend schnellen Art der Dialoge, doch der Punkt des Multiversums trifft in Kombination mit der Action genau da, wo manch ein Zuschauer mit „überladen“ entgegnen würde.
Einzeln genommen fungiert der humoristische Aspekt dann am besten, wenn alle Möglichkeiten des Multiversums auf selten kreativere Möglichkeiten der Unterhaltung treffen. Diese Mixtur ähnelt einem vollkommen in seinen Freiheiten losgelassenes Gegenstück und brilliert gerade aufgrund der Kombination aus situativen Witzen und jonglierenden Dialogen. Die Grenzenlosigkeit des Multiversums wird durch eben diese alberne Art besser bewiesen, als es ein Dialog, oder Monolog je könnte, neben der versierten Visualität des Films. Humor trennt sich klar von ernsteren Augenblicken, was primär durch die Entwicklung der Figuren gelingt. Des Weiteren verdeutlicht der Humor den Drang nach Menschlichkeit, während die völlige Eskalation eintritt. Die wahren Gefühle werden gewissermaßen unterdrückt.
Der Action-Aspekt hingegen erscheint äußerst konsequent und nutzt das Überraschungsmoment, um mit beeindruckenden Choreographien zu überzeugen. Die Bedeutung der Kamera wird dann deutlich, wenn die Actionsequenzen fokussiert auf die Situation blickt, um selbst die kleinsten Bewegungen in ihrer Bedeutung zu stärken.
Diese Mixtur aus Action und Humor ist nicht unbekannt heutzutage, scheitert jedoch häufig bereits in der Aussagekraft. Diesem Film gelingt es jedoch alle Aspekte, die nötig sind, zu perfektionieren, denn sowohl die Action, der Humor, als auch das nötige Timing überragen. Der Unterhaltungsfaktor wird geschaffen.
Der Aspekt des Erlernens – Die Bedeutung des Multiversums
Warum also stellt diese große Vorstellung unendlicher Paralleluniversen mehr als ein großes Gimmick dar? Die Tatsache, dass die Reisen durch das Multiversum immer von anfänglich gestellten Bedingungen begleitet wird, lässt einzig die Reisen bereits dynamischer und tiefgreifender erscheinen. Meist stellen diese Bedingungen peinliche Überschreitungen, oder unmissverständliche Grenzen dar und lässt dies wie einen Zoll, den man für die Reisen zahlt wirken. Es ist, plump gesagt, nicht kostenlos, wobei die wahre Intention der Protagonistin, gemäß ihres Mannes aus einem Paralleluniversum, lediglich das Erlernen der nötigen Fähigkeiten darstellt.
Genau dadurch erhält das Multiversum die benötigte Besonderheit auf der visuellen Ebene, als Unterhaltung und ermöglicht dem Zuschauer einen allgemeinen Blick auf die Handlung. In diesem Kontext funktionieren ebenfalls kurze Erklärungen, da die grundlegenden Prinzipien wohl kaum ohne diese auskommen würden. Doch neben dem Erlernen, nimmt sich der Film keine Zeit für Auserzählungen, denn der grundlegende Handlungszweig wurde erläutert, vor allem im Bezug auf die Hintergründe des Multiversums und inwiefern die eigentliche Darstellung komplexer erscheint als gedacht.
Die Flucht aus dem Kreislauf
Der ewige Kreis, metaphorisch für einen tristen Alltag, soll durchtrennt werden, um die Einfachheit des Lebens zu verdeutlichen. Stringenter könnte ein Film diese Botschaft wohl kaum vermitteln, doch im Grunde ist es erneut das Multiversum, welches dem Zuschauer diese Botschaft näher bringt.
Milliardenfach ein etwas anderes Leben, doch umso weiter man sieht, erscheinen die Änderungen immer verrückter. Jedes Paralleluniversum für sich würde dies so sehen, doch der Standpunkt zählt. Ob man seine Taten darauf zurückführt bleibt eine subjektive Entscheidung, doch wie es dem Film mit seiner Bildsprache gelingt, eine einzelne Emanzipation darzustellen, bleibt einzigartig. Ein Kreislauf wurde gebrochen, in Form der Familie. Diese Flucht mündet nicht in Macht und Reichtum, oder ähnliches, das Ende ist genau da, wo der Film anfing. Lediglich die Vorstellung ist anders und bezieht sich auf den unentrinnbaren Kreislauf des Lebens, aus dem man das beste macht.
Everything – Aufbau und Erlernen
Um in seiner Komplexität nicht an einem simplen Plot zu zerschellen, greift der erste Teil des Films in den zweiten Teil, wie in ein perfektes Zahnrad. So nimmt sich der Film viel Zeit, um das Geschehen zu etablieren, um die völlige Eskalationen bedeutender aufzubauen. Dabei nimmt der Film ein klassisches Schema an, verfängt sich aufgrund seiner Prämisse jedoch zu keinem Zeitpunkt. „Everything“ ist dahingehend die Metapher für das Erlernen der Fähigkeiten der parallelen Welten, denn der Film setzt alles daran, die unendlichen Möglichkeiten zu verdeutlichen.
Everywhere – Etablierung der wahren Ziele
Obgleich der erste Teil in den zweiten Teil eingreift, wird erst im zweiten Teil der Hintergrund der Randaspekte deutlich. Die Handlung gerät in Fahrt, um die Sinnhaftigkeit der Aufteilung des Films zu stärken. Die Handlung ist überall und hat eine Bedeutung überall, in jeder noch so verrückten Form.
All At Once – Die Variation des Multiversums
Die wahre Unendlichkeit des Multiversums wird visualisiert und lässt den ersten Teil unerlässlich erscheinen (selbsterklärend als Auslöser für die Handlung). Dadurch, dass der dritte Teil erst so spät einsetzt, ist es dem Zuschauer frei überlassen, inwiefern die vorherigen Ereignisse Einfluss darauf nehmen. Alles auf einmal, immer und überall ist das Multiversum, gleichwohl die Handlung, denn alles hat in irgendeiner Form wahrhaftig eine Bedeutung für die Geschichte. Die Genremixturen treffen auf eine kongruente, in sich geschlossene Handlungsstruktur und mündet (erneut) im Wäschesalon.
Die Verbildlichung des Multiversums
Man könne das Pacing des Films sowohl als schnell, als auch als langsam beschreiben. Inhaltlich und vor allem auf die Dialoge bezogen, startet der Film äußerst schnell, um viele Aspekte gleichzeitig zu behandeln. Während der gesamten Laufzeit des Films wird jedoch klar, dass die Erzählstruktur ruhig und aufbauend fließt. Dieser Spagat lässt sich wohl am ehesten als äußerst eigenes Tempo kategorisieren, denn die Beherrschung für elegante Dialoge, gepaart mit einer tiefgreifenden Botschaft auf dieser Ebene trifft auf keinen Gegenpol.
Die sich wiederholenden Kreise innerhalb des Films dienen grundlegend der Verdeutlichung des Alltags in seiner Trostlosigkeit und inwiefern alles im Bezug auf das Multiversum, aber auch im Bezug auf die Handlung miteinander verknüpft ist. Doch allein dieses Detail, in Kombination mit der allgemeinen Detailverliebtheit des Films lassen alle Komponenten dieses verträumten Werks in weiterem Glanz erstrahlen.
Bild © Ley Line Entertainment