Eine der Traditionen von Christopher Nolan besteht darin, seine Besetzung und sein Team vor Produktionsbeginn zusammenzubringen und ihnen Filme zu zeigen, die als Inspiration für das anstehende Projekt dienen. In „Batman Begins“ zum Beispiel wurde unter anderem „Blade Runner“ von Ridley Scott gezeigt, um die größte Inspirationsquelle für die visuelle Ästhetik klarzumachen. Für den zweiten Teil der Batman-Trilogie von Christopher Nolan „The Dark Knight“ wurde „Heat“ von Michael Mann gezeigt. Und spätestens nachdem man das weiß, erkennt man beim Schauen zahlreiche Parallelen zwischen den beiden Filmen.
„Ich empfand „Heat“ immer als eine bemerkenswerte Demonstration, wie man in einer Stadt ein riesiges Universum erschaffen und eine sehr große Anzahl von Charakteren und ihre emotionalen Reisen auf effektive Weise in Einklang bringen kann.“
Christopher Nolan (übersetzt)
Antagonist und Protagonist
Beginnend mit den Figuren, ist der auffälligste Vergleich zwischen den beiden Filmen die Figurenkonstellation: Batman und der Joker in „The Dark Knight“ und Vincent Hanna und Neil McCauley in „Heat“ als Protagonisten und Antagonisten. Angefangen mit den Antagonisten sind beide Figuren Meisterstrategen und bieten eine alternative Darstellung des Bösen. Der Joker durchbricht dabei die traditionellen Grenzen des Bösewichts durch sein Lächeln und seine Laune, die einen tiefen Wahnsinn verbergen. Seine vermeintliche Planlosigkeit, seine Unberechenbarkeit und seine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber materiellen Werten machen ihn zu einem sehr unkonventionellen Gegenspieler.
Im Gegensatz dazu ist Neil McCauley in „Heat“ eine Verkörperung des kriminellen Genies und der rationalen Kälte. McCauley ist ein Profiverbrecher, dessen Leitprinzipien von Präzision und Selbstkontrolle geprägt sind. Anders als der Joker, der das Chaos verkörpert, ist McCauley ein Mann mit einem klaren Ziel – der perfekte Raubüberfall. McCauley sucht nach einer Flucht aus der Kriminalität und hat klare Prinzipien, auch wenn sie in einem moralischen Graubereich liegen.
In „The Dark Knight“ präsentiert Christopher Nolan seinen Protagonisten Batman nicht als einen stereotypen Superhelden, sondern als einen Mann mit klaren ethischen Prinzipien. In „Heat“ erleben wir Al Pacino in der Rolle des Detectives Vincent Hanna. Hanna ist ein erfahrener und besessener Ermittler, der die Härte des Verbrechens in Los Angeles kennt. Hanna steht für das Streben nach Perfektion in seinem Beruf, was ihn zu einem Mann der Extreme macht. Sein obsessiver Einsatz für die Verbrechensbekämpfung bringt ihn jedoch oft an die Grenze der Selbstaufopferung.
Beide Figuren, Batman und Vincent Hanna, teilen eine sehr ausgeprägte Hingabe zu ihrer Mission. Beide verteidigen ihre Stadt vor Kriminalität, sie sind Verbrechensbekämpfer – Batman in einer übernatürlichen Superhelden-Gotham-Welt und Hanna in der realistischen, oft schonungslosen Welt des Verbrechens in Los Angeles.
Antagonist vs. Protagonist
Der Joker ist das perfekte Gegenstück zu Batman – er fordert die Ideale von Batman heraus und versucht, ihn auf seine Weise zu brechen. Der Joker manipuliert nicht nur die Stadt, sondern auch Batman selbst, indem er dessen moralischen Kompass auf die Probe stellt.
In „Heat“ ist die Beziehung zwischen Neil McCauley und Vincent Hanna grundlegend ein klassisches Duell von Profiverbrecher und hartnäckigem Ermittler. Beide Männer teilen eine Art von Professionalismus, die sie über ihre jeweiligen Rollen als Krimineller und Gesetzeshüter hinaus verbindet. Der Zuschauer befindet sich oft in einer moralischen Zwangslage, da die Grenzen zwischen dem gesetzestreuen Protagonisten und dem kriminellen Antagonisten verschwimmen. In „The Dark Knight“ wird die Dualität von Batman und dem Joker als Beispiel für die Schwierigkeiten moralischer Entscheidungen präsentiert, insbesondere in Bezug auf den Einsatz von Gewalt und den Verzicht auf Prinzipien im Angesicht des Chaos.
In beiden Filmen gipfeln die Beziehungen zwischen Antagonisten und Protagonisten in einem bestimmten Höhepunkt. Die Verhörszene zwischen Batman und dem Joker in „The Dark Knight“ und die Café-Szene zwischen McCauley und Hanna in „Heat“ sind sehr ähnlich inszenierte Schlüsselmomente, in denen unter anderem die Gemeinsamkeiten der Figuren offenbart werden.
Die ersten szenen
Eine weitere Parallele liegt in den Raubüberfall-Szenen mit denen beide Filme starten. In „Heat“ wird das Publikum in die Welt von Neil McCauley und seiner Crew durch eine Aufnahme von Los Angeles eingeführt. Die Kamera gleitet dabei förmlich durch die Straßen und taucht in die raue Realität von McCauleys Welt ein, indem der erste Raubüberfall folgt.
In der ersten Szene von „The Dark Knight“ setzt Nolan eine untergründige Spannung auf, indem er die Zuschauer im Dunkeln darüber lässt, wer der eigentliche Anführer dieses Überfalls ist. Der Joker wird dabei als unberechenbare Kraft dargestellt. Beide Regisseure entscheiden sich dafür, die Figuren durch ihre Handlungen einzuführen, anstatt sich auf Dialoge zu stützen. In „Heat“ zeigt der Raubüberfall die Professionalität und Disziplin der Diebe, während in „The Dark Knight“ die Aktionen des Jokers den Ton für seinen anarchischen Charakter setzen. Die Inszenierung betont die Fähigkeiten und Effizienz der Kriminellen.
Von den Masken bis zum ruhigen, aber doch energischen Tempo der Szene ist klar, dass Nolan immens von Manns Regie in den Überfall-Szenen in „ Heat“ beeinflusst wurde. Auch ist der Schauspieler William Fichtner in „The Dark Knight“ eine direkte Hommage an „Heat„, da er in beiden Filmen Teil von einem Banküberfall ist.
Christopher Nolan hat es außerdem geschafft, dass Gotham für „The Dark Knight“ das ist, was Los Angeles für „Heat“ ist. In „Heat“ nutzt Michael Mann die Architektur von Los Angeles, um eine Stadt als einen lebendigen Charakter zu inszenieren. Die Kamera schwenkt geradezu meisterhaft durch die Straßen und Gebäude, um eine komplexe Welt zu schaffen. Diese architektonische Darstellung dient nicht nur als Hintergrund, sondern beeinflusst auch die Dynamik der Handlung. Christopher Nolan übernahm dieses Konzept erfolgreich für „The Dark Knight„.
„Wir werden in einer echten Stadt mit echten Straßen und echten Gebäuden drehen, weil die Ausmaße enorm sein können. Wir werden IMAX-Kameras verwenden, damit wir in voller Höhe fotografieren können.“
Christopher Nolan (übersetzt)