„96 Hours“ (Original: „Taken„) ist ein Actionfilm, der den ehemaligen CIA-Agenten Bryan Mills (Liam Neeson) auf seiner Reise nach Paris begleitet, um seine Tochter Kim (Maggie Grace) zu retten, nachdem sie entführt und in den Sexhandel verschleppt wurde. Der Film wird dabei oft auf eine Ebene der Rachethriller à la „John Wick“ oder „The Equalizer“ gestellt. Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass „96 Hours“ in vielerlei Hinsicht gegenüber den genannten Filmen versagt.
Spoiler-Warnung
Eine Entführung der Tochter, so alt wie die Hügel von Hollywood, wird hier ohne den geringsten Versuch der Innovation recycelt. Man kann sich kaum des Gefühls erwehren, dass man dieses Geschehen schon gefühlt tausendmal durchgekaut hat. Der Film zeigt kein Interesse daran, diesem Altbekannten etwas Neues hinzuzufügen. Die Actionszenen, jene Momente, in denen man normalerweise vor Spannung in den Stuhl gepresst wird, verkommen zu einer Art Handgemenge aus der Mottenkiste des Actionfilms. Mills, der vermeintliche Actionheld, agiert mehr wie ein hyperaktiver Hooligan im Wahn, der wild um sich schlägt und schießt, ohne eine Spur von Eleganz oder taktischem Geschick. Er mutiert zu einem wilden Berserker, dem es gleichgültig ist, wen oder was er töten oder verletzen muss, um seine Tochter zu retten.
Blinder Rachefeldzug
Die Verherrlichung der Gewalt in diesem Film ist nicht nur offensichtlich, sondern auch fast schon widerlich. Mills wird zum strahlenden Helden, der mit einer entfesselten Mordlust durch Paris zieht. In einer Welt, in der Nicht-Amerikaner kollektiv zu Bösewichten stilisiert werden. Ob Franzosen oder Albaner, es gibt keine nicht-amerikanischen Figuren, die als „gut“ inszeniert werden. Die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Rache verschwimmt zu einem blutigen Brei, in dem der Endsieg der Hauptfigur wichtiger erscheint als jede moralische Reflexion.
Die von Pierre Morel inszenierten Actionszenen sind wie ein blutiges Gemälde der Selbstgefälligkeit, in dem jede Schlägerei und jeder Schuss darauf abzielt, den Protagonisten als unbesiegbaren Helden zu inszenieren, anstatt die Abgründe dieser Gewalt zu ergründen. Dieser Held hat allerdings weder Interesse weitere Frauen aus diesem Sexhandel zu befreien noch diesen Sexhandel in irgendeiner Weise zu stoppen. Sein einziges Ziel ist es, seine Tochter zu retten. Am Ende ist sie eine Art trophäenhafte Belohnung für den siegreichen Rächer.
Und in der letzten Szene des Films lächelt Kim. Der Film endet dabei ohne auch nur im Ansatz auf Kims Trauma oder Genesung einzugehen. Der Film impliziert, dass es keinen dauerhaften Schaden oder Verlustgefühl gibt, da Kim ihre Jungfräulichkeit nicht genommen wird. Genauer gesagt, weil Mills scheinbar nichts verloren hat, was ihm wichtig war – sei es das Leben oder die Jungfräulichkeit seiner Tochter –, vermittelt der Film den Eindruck, dass hier letztendlich nichts verloren ging, und das, obwohl es klare Verluste gab.
In einem Meer von Action-Mittelmäßigkeit ragt „96 Hours“ heraus – nicht wegen seiner Qualität, sondern wegen seines beispiellosen Versagens. Es ist ein Film, der versucht, in die Fußstapfen von Genre-Größen zu treten, dabei aber lediglich über seine eigenen Füße stolpert und ins bodenlose Nichts fällt.